Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen die Grundrechte der Bürger Europas
Mit dem erklärten Ziel, schwere Straftaten aufzuklären oder sogar zu verhindern, sollte das EU-Regelwerk aus dem Jahr 2006 die verdachtslose Speicherung von Milliarden persönlicher Kommunikationsdaten der Europäer ermöglichen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten nun als ungültig erklärt, mit der Begründung, es handele sich dabei um einen „Eingriff in die Grundrechte fast der gesamten europäischen Bevölkerung“, zum Beispiel der Schutz der Privatsphäre. Nach Ansicht der Richter beinhalte die Regelung „einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt“. Weiterhin begründeten die Richter ihre Entscheidung damit, dass die Speicherung der Telefon- und Internetdaten und der ohne das Wissen der Betroffenen erfolgende Zugriff darauf dazu geeignet sei, ein Gefühl der ständigen Überwachung des Privatlebens hervorzurufen.
Dieser Einschätzung schließt sich der netzpolitisch aktive Blogger Sascha Lobo an, denn dieser erkennt darin „eine Art tiefenpsychologischer Selbstzensur, machtvoller als jede Zensur zuvor.“
Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert: „Die Vorratsdatenspeicherung gehört in die Geschichtsbücher.“ Bereits während ihrer Amtszeit hatte sie sich vehement gegen die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung gewehrt und dabei stets betont: „Die Bürger sind nicht potentielle Terroristen.“
Im Jahr 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht bereits die Umsetzung in Deutschland gekippt, doch Union und SPD wollten die Vorratsdatenspeicherung nun wieder einführen. Sie wollten jedoch erst das EuGH-Urteil abwarten.
Nach der Urteilsverkündigung ist Deutschland nun nicht mehr zu einer Umsetzung der Richtlinie verpflichtet. Auch Zwangsgelder drohen nicht mehr. Trotzdem wollten führende Landesinnenminister der SPD an dem Instrument festhalten. Innenminister Reinhold Gall (SPD) dazu: „An meiner Einschätzung hat sich auch nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nichts geändert. Die Polizei muss die Möglichkeit haben, mit kriminellen Netzwerken Schritt zu halten.“ Schleswig Holsteins Innenminister Andreas Breitner (SPD) fordert die Ausgestaltung einer „rechtskonforme[n] Regelung“, für die mit dem Urteil nun die Bedingungen dargelegt worden sei.
Dennoch hat sich die schwarz-rote Koalition nun dazu entschlossen, in dieser Legislaturperiode auf ein entsprechendes Gesetz zu verzichten, denn das heikle Thema der Vorratsdatenspeicherung wollen weder Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) noch Justizminister Heiko Maas (SPD) vor der nächsten Bundestagswahl anfassen.
Langfristig will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nun erst einmal die Folgen des EuGH-Urteils mit anderen EU-Staaten erörtern, um dann eine „kluge, verfassungskonforme Regelung“ für die Speicherung von Telekommunikationsdaten finden zu können.
Für Sascha Lobo stellt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen die Vorratsdatenspeicherung somit einen bloßen „Etappensieg“ dar. „Der Drang, die technische Machbarkeit ohne Rücksicht auszuschöpfen, lässt sich nicht eindämmen.“, folgert er.